Vorsicht, Kritiker? Was wir alle von der Jungfrau lernen können

Die Geschichte ist altbekannt: Da will man einen Text schreiben, einen Artikel wie diesen vielleicht, eine wichtige Mail, irgendein Projekt anreißen oder weiter verfolgen. Die Ideen schwirren auch emsig herum wie die Bienen, daran mangelt es nicht. Jedoch lassen sie sich partout nicht einfangen und umsetzen. Und woran liegt das? Der innere Kritiker lässt wiedermal kein gutes Haar daran. Das ständige Kopfschütteln bewirkt, dass in jeder Suppe ein Haar zu finden ist, das sie uns versalzt. Wie gemein. Dann revanchieren wir uns jetzt mal und nehmen IHN auseinander: Was will der Kerl eigentlich?
Die Antwort kommt postwendend: „Meisterschaft“ platzt er heraus. Es solle PERFEKT werden und jedes Wort ins Schwarze treffen. Hohe Ansprüche mein Freund! Kein Wunder geht jedem Vorhaben die Luft aus, bevor es in die Gänge gekommen ist. Dennoch, die Latte liegt zwar hoch, trotzdem klappt es dann offenbar irgendwie doch, es werden ja ständig Texte, Artikel, Projekte und so geboren. Das schreit nach kritischer Erforschung und Aufklärung.


Kleiner Feigling ...

Ich hege den Verdacht, der innere Kritiker, der der Jungfrau zugeordnet ist, ist im Grunde ein kleiner Feigling. Er will sich nicht blamieren und meint, das sei erst dann der Fall, wenn etwas perfekt sei. Die Vermeidung unangenehmer Eventualitäten liegt der Jungfrau grundsätzlich im Blut, „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ lautet schließlich ihr Motto. Am richtigen Ort zur richtigen Zeit ist das ein weises Verhalten, das uns vor manchem Schaden bewahrt. Sie achtet darauf, dass man nicht durchs Leben trampelt wie ein Elefant im Porzellanladen und alles Mögliche kaputtgeht. Die Konsequenzen daraus wären unangenehm, wenn nicht sogar schädlich. Und so versucht sie eben auch, uns vor Blamagen zu beschützen, vor realen ebenso wie vor vermeintlichen. Auch diesbezüglich hört sie manchmal das Gras wachsen.

So weit so gut. Führt die Vorsicht jedoch dazu, dass man sich gar nichts mehr traut, auch außerhalb von Porzellanläden, hat man ein Problem. Ein Problem, das genau dadurch entstand, dass die Jungfrau uns im Grunde vor Problemen beschützen will, was fast ein wenig nach Arbeitsbeschaffung riecht, frei nach dem Spruch, dass man mit einem PC Probleme lösen kann, die man ohne PC gar nicht hätte. Das legt die Vermutung nahe, dass man doch eigentlich auf diesen Teil – wie auch auf PCs – verzichten könnte. Wir passen einfach besser auf oder scheren uns nicht um die Scherben, die wir anrichten. Dann hätten wir andere Probleme, die sich ohne die Jungfrau aber nicht lösen ließen. Gut also, dass wir weder aufs eine noch aufs andere verzichten müssen.


… und trotzdem unverzichtbar

Kritisch betrachtet ist der innere Kritiker eben nicht nur unbequem, ein lästiger Verhinderer und kleiner Feigling. Es gibt nichts unter der Sonne, was nicht auch seinen Zweck erfüllt, außer vielleicht Zecken? Auch das müsste noch genauer erforscht werden, von der Jungfrau natürlich. Doch der innere Kritiker, so lästig er auch ist, ist keine Zecke, er hat einen Zweck, sogar viele Zwecke. Was er im Grunde will, hat er ja schon zu Beginn verraten: Meisterschaft. Er will, dass alles super gut wird, nicht einfach nur so lala, und ist deshalb so schwer zufrieden zu stellen. Er will das Beste aus uns herausholen. Meisterschaft ist eben nichts, was uns in den Schoß fällt, wir müssen sie uns erarbeiten. Aber das macht nichts, denn irgendwie scheint auch hier der Weg das Ziel zu sein, auch wenn das eigentlich das Lieblingsmotto des Schütze-Teils ist. Es gibt immer noch etwas zu verbessern, zu korrigieren, zu meckern und zu beanstanden – Ende nie.

Weise ist, wer trotzdem gibt. Irgendwann muss man es auch gut sein lassen, auch wenn es noch Luft nach oben hätte. Man muss also auch Blamagen riskieren, so schwer es fällt. Denn so findet man rasch heraus, was gut ist und was noch verbessert werden kann. Das liefert neue Inspiration und Motivation und hält das Leben in Bewegung. Wer das schafft, gewinnt mit 1:0. Der innere Kritiker hat dann aber nicht verloren, sondern insgeheim sein Ziel erreicht, soviel sei hier verraten. Wie das? Ganz einfach: ÜBUNG macht ja bekanntlich den Meister, vom Himmel gefallen ist noch keiner. Und wie könnte man besser üben als in der Praxis? Der Kritiker ist also auch ein kleiner Schelm. Das bedeutet also 1:1 und Sieg für beide.


Hyperaktiver Kritiker? Kein Problem!

Jetzt mal Klartext: Wir haben eine Jungfrau im Horoskop, das ist ein Grund zur Freude. Der Kritiker ist ein Teil von ihr, das ist nicht immer ein Grund zur Freude. Doch insgesamt befähigt uns dieses Duo, Probleme aufzuspüren und zu lösen. Es macht, dass wir Nabelschau halten, uns in Frage stellen, auch wenn der Kritiker es manchmal übertreibt mit dem Schüren von Selbstzweifeln. Wir finden Antworten und können uns verändern. Zu den Skills gehören Optimierung und Koordinierung von Abläufen, das sorgt für mehr Effizienz. Organisieren und ordnen, flicken, heilen, korrigieren und auf den Punkt bringen, was sitzen soll, und noch vieles mehr. Das sind beachtliche und überaus praktische Werkzeuge, ohne die wir aufgeschmissen wären. Dass dieser Teil umgekehrt manchmal etwas pingelig wirkt und herummeckert, ist nur logisch. Das ist sein Metier. Und ja, manchmal wird nicht nur manchmal gemeckert, sondern ständig. Ist jedoch ein Kritiker außer Rand und Band, ist das ein Zeichen von Unterforderung. Er kann nicht tun, was ein Kritiker tun sollte und mischt sich aus lauter Frust überall ein. Dies zu ignorieren hilft nichts, er verschwindet nicht und hört auch nicht auf damit. Irgendwo in unserem Leben muss dieser Teil seiner Bestimmung folgen können und sich nützlich machen dürfen. Gib ihm eine Aufgabe, ein Problem, einen gordischen Knoten, eine Krise, und er wirft sich mit Begeisterung darauf und MEISTERT sie.

Ist er also lästig hyperaktiv, stellt man sich am besten die Frage: Wo könnten wir seine offenbar ausgeprägten Fähigkeiten brauchen, wo kann er sich gezielt nützlich machen? Integrieren wir ihn gezielt in unser Leben, zeigt er sein wahres Können. Und er funkt uns garantiert nicht mehr dauernd dazwischen, meckert nicht mehr ständig herum. Dann ist nicht nur er glücklich, sondern auch unser Leben um einiges weniger haarig. Vielleicht schaffen wir es auch mal, uns, wie auch anderen, auf die Schulter zu klopfen und Anerkennung zu zeigen, ohne dass uns dabei ein Zacken aus der Krone fällt. Da stellen wir überrascht fest, dass Lob ebenfalls motivierend wirkt und um einiges angenehmer ist als ständiges Herumkritisieren. Doch wie gesagt, das klappt erst, wenn der Kritiker endlich seinen wahren Zweck erfüllen kann. Auch er verdient übrigens ab und zu ein Lob dafür.


Fazit

Es ist tatsächlich haarig, einen Artikel über den Kritiker zu schreiben. Schon mit der Überschrift ist die Schwingung vorgegeben und man muss vorsichtig sein, dass der Text fertig wird, bevor man eine Glatze hat. Doch die Matte ist noch an Ort und Stelle und ich werde es jetzt mal gut sein lassen. Kaum gedruckt, kommen mir wahrscheinlich die besten Ideen, wie ich ihn noch besser auf den Punkt hätte bringen können. Wie könnte es auch anders sein?
©tina peel 

Die Jungfrau fürs Sternbild-Magazin auf den Punkt gebracht




































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